Es war einmal ein Löwe namens Cleo. Sein Körper war krÀftig, seine Krallen scharf, seine MÀhne flauschig und seine Laune schrecklich.
Jedes Tier, das ihm begegnete, hatte einen riesigen Respekt vor ihm. Schaute ihn auch nur ein Vöglein neckisch an, so brĂŒllte er laut und lieĂ seine ReiĂzĂ€hne in der Sonne blitzen.
Alle Vögel flogen sofort davon, alle Ameisen tribbelten weg, jede Schlange senkte den Kopf und zischte ab. Ja, alle Lebewesen flĂŒchteten vor Cleo und lieĂen ihn alleine, denn sie hatten nicht nur Respekt vor ihm, sondern vor allem hatten sie Angst.
Hatte er Hunger, so fraĂ er, war er mĂŒde so schlief er. Er machte alles was er wollte, doch so richtig glĂŒcklich war er nie. Selbst nach dem lĂ€ngsten Nickerchen war er mĂŒde, nach der saftigsten Antilope die er gefangen hatte, war er zwar satt aber nie so richtig zufrieden. Manchmal fing er auch Fische an einem See, diese hasste er besonders, denn sie waren oft im Schwarm unterwegs und er hasste SchwĂ€rme.
Eines Tages entdeckte ein Krokodil den am See entlangtrottenden Löwen Cleo, wie er ins Wasser schaute. Das Krokodil schwamm langsam und unentdeckt und beobachtete ihn aus wenigen Metern Entfernung. Cleo versuchte seine Pfoten trocken zu behalten doch dann blieb er stehen, legte sich auf den Boden und lauerte. Sein Kopf bewegte sich genau wie der Fisch im Wasser, auf den er es scheinbar abgesehen hatte. Der Fisch wackelte ein wenig mit einer seitlichen Flosse und lieà sich dann sanft treiben. Das war der Augenblick auf den Cleo gewartet hatte. Er machte sich bereit, doch gerade als er losspringen wollte, tauchte das Krokodil vor ihm auf, riss sein Maul auf und rief:
„Cleo! Lass die Fischchen in Ruhe! Du hast doch sowieso Angst vor Wasser!“ und lachte laut. „HUAHAHAHA!“
All die Fische schwammen sofort alarmiert weg und beobachteten anschlieĂend die Szene nervös aus der Ferne. Das Krokodil hörte auf zu lachen und grinste den Löwen angriffslustig an. Spitze ZĂ€hne funkelten aus dem Maul hervor.
Cleo war zunĂ€chst verwirrt. Was war geschehen? Langsam realisierte er: Das Krokodil hat sich ĂŒber ihn lustig gemacht!! Wie konnte es nur!! Was fiel ihm ein, seine Beute zu verscheuchen?? Also machte Cleo das was er immer tat: Er stampfte zwei Mal krĂ€ftig auf den Boden, streckte seine Brust aus und reckte sich bedrohlich brĂŒllend hoch zum Himmel. Er brĂŒllte so heftig, dass sogar einzelne Tropfen Speichel aus seinem Rachen sausten. Die Tiefe und StĂ€rke des BrĂŒllens waren im Boden spĂŒrbar! Kleine RegenwĂŒrmer unterbrachen ihre Arbeit und erstarrten.
Zufrieden mit sich selbst, seine flauschige MĂ€hne vom schĂŒchternen Wind in Pose gerĂŒckt, wartete der Löwe auf die verĂ€ngstigte Reaktion des Krokodils. Sekunden vergingen wie Minuten, doch die Reaktion kam nicht.
Das Krokodil neigte nur den Kopf zur Seite und fing wieder lauthals an zu lachen:
„MUAHAHAHAHA!“
Es rollte sich im Wasser wie eine Tonne, hielt dann inne – fixierte den Löwen still – lachte aber erneut laut weiter. Cleo knurrte, das Blut in seinen Adern kochend und tat einen festen Schritt ins Wasser. Das Krokodil schlug einmal mit seinem Schwanz auf die WasseröberflĂ€che, drehte sich rasch um und zeigte dem erbosten Löwen sein Hinterteil. Es krabbelte ein wenig mit den kurzen Beinchen, kicherte und schwamm elegant, aber auch betont langsam, davon. „Ach Löwe, mir machst du keine Angst.“
Das reichte Cleo jetzt. Er sprang mit einem Satz ins Wasser, nah ans Krokodil und als er nach dessen Schwanz biss, stieĂ das Krokodil sich nochmal ab und war schon einen Meter weg. Kaum zu glauben, wie schnell es sich im Wasser bewegen konnte!
Doch das war Cleo egal. Er paddelte mit seinen Beinen so schnell er konnte und bemerkte gar nicht, wie er sich immer weiter vom Ufer entfernte. Doch im Gegensatz zum Krokodil hat Cleo nie wirklich schwimmen gelernt, was sich sogleich rĂ€chte: Die flauschige MĂ€hne fĂŒllte sich voll Wasser und Cleo bekam plötzlich Schwierigkeiten sich ĂŒberhaupt an der WasseroberflĂ€che zu halten. Als er es merkte schaute er panisch zum Ufer â vielzu weit weg. Er zappelte mit den Beinen, nun immer hektischer und sah sich nach dem Krokodil um, doch es war schon verschwunden.
Cleo tauchte unfreiwillig unter Wasser, kĂ€mpfte sich jedoch wieder hoch, verschluckte sich dabei. Es wurde immer schwerer und er fĂŒhlte wie sein Gewicht ihn unaufhaltsam nach unten zum Grund zog.
Das war’s, da war er sich sicher. Dieses dumme Krokodil wĂŒrde tatsĂ€chlich ungeschoren davon kommen und alle wĂŒrden ĂŒber ihn lachen wenn er tot ist. Und niemand wĂŒrde ihn vermissen, denn niemand hatte ihn gern. Ja, niemand wĂŒrde um ihn weinen.
Als Cleo das realisierte, bildeten sich salzige TrÀnen in seinen Augen die sich sogleich mit dem Seewasser vermischten und er hörte auf zu kÀmpfen. Langsam sank er.
Er bereite sich darauf vor, zu sterben. Ganz alleine. Er schloss die Augen.
An seiner Seite saugte etwas, wahrscheinlich fingen schon die Fische an, ihn zu fressen. Wie ironisch. Auch an seiner MĂ€hne fĂŒhlte er etwas. Dann auch an der anderen Seite und noch einer auf der ersten. Dann noch einer. An seiner MĂ€hne immer mehr. Er öffnete verblĂŒfft die Augen: Irgendwie kam er wieder an die OberflĂ€che, diese doofen Viecher werden es bĂŒĂen, dass sie ihn schon ankauten!! Er biss nach ihnen, erwischte jedoch keinen, da sie wegschnellten und ihn dann woanders wieder ankauten. WĂŒtend schlug er mit seiner Tatze nach einem Kleinen, doch auch ihn verfehlte er. Der Fisch schaute ihn nur mitleidig an und schwamm zur Seite. Dann verstand Cleo: Die Fische versuchten doch tatsĂ€chlich ihn zu retten!! Die kleinen schwachen Fischchen! Doch zusammen waren sie alles andere als schwach: Im Wasser konnten sie sogar einen Löwen tragen. Cleo â nun mit neuem Lebensmut â fing wieder an zu paddeln, ohne die Fische erwischen zu wollen und das Ufer, das vorhin noch so weit entfernte Ufer, kam bald wieder in Reichweite. Als die erste Pfote des Löwen den Sandboden fĂŒhlte, wuchtete er sich aus dem Wasser und fiel erschöpft mit einem dumpfen Plop auf den Boden.
Er schnaufte und schnaufte, sein Körper zitternd. Er atmete einige Momente durch und blieb so liegen. Sein Kopf so schwer und doch hob er ihn an, um die Fische anzuschauen. Nebeneinander im Wasser aufgereiht erwiderten sie seinen Blick besorgt.
Cleo konnte es nicht fassen. Was war bloĂ geschehen?
„Ihr Fischchen, jeden Tag habe ich euch gejagt. Warum habt ihr mich gerettet?“, fragte er mit ungewohnt sanfter Stimme.
Die Fische bewegten hypnotisierend ihre Flossen, ganz langsam, um an ihrer Stelle zu bleiben. Einer reckte sein kleines MĂ€ulchen empor und sprach:
„Auch wenn du uns weh getan hast, so machte es uns traurig, wie allein du warst. Nach auĂen wirktest du zwar stark, aber jeder weiĂ doch, dass du trotzdem nie glĂŒcklich warst. Wir wĂŒnschten uns, dass auch du, ein Raubtier, aber ein sehr trauriges Raubtier, mal GlĂŒck erfĂ€hrst. Und so retteten wir dich.“
Cleo blinzelte verwundert. Sowas hatte noch nie jemand fĂŒr ihn getan. Nun verstand er: Alle hatten Angst vor ihm, das war toll. Andererseits mochte ihn deshalb auch niemand und so war er immer allein. So allein, dass es ihn fast umgebracht hĂ€tte, denn sein Kummer war seine Wut und seine Wut lieĂ ihn das listige Krokodil jagen.
Die groĂen Augen der Fische guppten ihn an, es schien als ob sie ihm zulĂ€chelten, aber sie machten sich nicht ĂŒber ihn lustig. Ganz im Gegenteil. Sie munterten ihn auf. Dann plötzlich, was war das? Ein Fisch formte einen Kussmund und zwinkerte ihm zu. Cleo musste lĂ€cheln â eine ungewohnte Bewegung â und dann merkte er, wie sein groĂes Löwenmaul anfing zu zittern. In seinen Augen bildeten sich TrĂ€nen und er musste weinen. Aber nicht vor Trauer, sondern vor RĂŒhrung und vor GlĂŒck.
Ende.
Eine groĂartige Geschichte vom Colibri Comics. Lesen! -> Der Löwe und die Fischchen https://t.co/VrJJh40go9 via @ColibriComics
â ââšPă T (@JustMe_HH) 20. MĂ€rz 2016